Die Benzindiebe von Mexiko
Nach Tankstellen suchen, die noch geöffnet haben, stundenlanges Schlange Stehen – manchmal ohne Erfolg, weil es nicht für alle reicht -, Staus durch die Wartenden vor den noch geöffneten Tankstellen, Hamsterkäufe – unvorstellbar? In Mexiko ist das gerade der „Normalzustand“ und für eine Millionenmetropole wie Mexiko Stadt, wo das öffentliche Nahverkehrsnetz schlecht ausgebaut ist, bedeutet es Chaos. Doch nicht nur Mexiko Stadt ist betroffen auch in sieben weiteren Bundesstaaten wie Querétaro, Michoacán, Guanajuato wird das Benzin knapp. Aber wie kommt es dazu, dass Mexiko das Benzin ausgeht?
Das raffinierte System der Huachicoleo
Huachicoleo, wie der Benzinraub in Mexiko genannt wird (geraubtes Benzin wird als huachicol bezeichnet), hat in den vergangenen Jahren gewaltige Ausmaße angenommen. Allein im vergangenen Jahr gingen dem staatlichen Erdölkonzern Petróleos Mexicanos (Pemex) geschätzte drei Milliarden US-Dollar verloren. Dabei waren die Drahtzieher des gigantischen Benzinklaus bei Pemex selbst beschäftigt und entwickelten ein ausgeklügeltes System, um ihren Arbeitgeber jahrelang im grossen Stil zu betrügen. Dafür brauchten sie in den Raffinerien und Benzindepots Kollegen – vom Kontrolleur der Monitore, der die Ladung der Tankwagen überwacht bis zum Ladegehilfen und Chauffeur –, die bereitwillig mitgemacht haben, um ihr Gehalt aufzubessern.
Ende Dezember 2018 wurde innerhalb des Ölkonzerns dieses Netzwerk aufgedeckt. Drei Beamte wurden festgenommen; ermittelt wird u.a. gegen den Pemex-Sicherheitschef Eduardo León Trauwitz. Dieser war Chef-Leibwächter von Ex-Präsident Enrique Peña Nieto, als dieser Gouverneur des Bundesstaates Estado de México war.
Das System funktioniert recht einfach
Die Tankstellen schicken ihre monatliche Bestellung an Pemex, das Volumen richtet sich nach der durchschnittlichen Abgabe an die Verbraucher. Bezahlt werden müssen die Tankwagen, deren Fassungsvermögen bei 15.000 Litern liegt, einen Tag vor Lieferung, über ein definiertes Konto, das bei Pemex registriert sein muss. Zahlreiche Tankstellen-Pächter aus mehreren zentralen Bundesländern von Mexiko bestellten mehr als die Hälfte weniger Benzin als sie brauchten; den Rest bekamen sie zwar auch von Pemex, aber gegen Bargeld oder Einzahlungen auf Konten der Benzindiebe.
In den Benzin-Depots, in denen die Tanklaster gefüllt werden, wurden die Messgeräte und Kontrollmonitore von Komplizen überwacht und so manipuliert, dass nur die Hälfte des gelieferten Benzins registriert und abgerechnet, tatsächlich aber doppelt so viel geliefert wurde. Der Pächter kaufte das auf diese Weise gestohlene Benzin zuletzt zum Preis von 14 Pesos ein und verkaufte es zum offiziellen Preis an der Säule von um die 21 Pesos/l an die Verbraucher. Ein Wahnsinnsgeschäft. Täglich sollen neun Millionen Liter Benzin gestohlen worden sein, das entspricht 600 Tankwagen. Pemex-Mitarbeiter informierten auch sogenannte „Melker“, wann der Druck in den Pipelines soweit abnahm, dass sie die Leitung anzapfen konnten.
Zahlreiche von der Landwirtschaft geprägte Regionen leben von den „Huachicoleros“. Ihre Depots findet man in Hinterhöfen und an Straßenständen, wo sich unter den Augen der Polizei Busfahrer, Transportunternehmer und Taxifahrer mit Benzin eindecken.
Der Präsident verteidigt seinen Plan: Es gibt ausreichend Benzin in Mexiko
Am 20. Dezember implementierte die Regierung des neuen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador einen Aktionsplan gegen den Benzinraub. Dieser sieht vor, das Benzin zeitweilig statt über Pipelines „sicher“ in Fässern und Tankwagen an die Zapfstationen zu liefern.
Es gehe darum, „ein korruptes System von der Wurzel an auszumerzen“, das eng mit der öffentlichen Verwaltung verwoben ist, so López Obrador, neuer Präsident Mexikos. Der Regierungsplan sieht zudem die Überwachung von Raffinierien und Ölanlagen durch die Armee vor. Rund 4000 Soldaten sollen 58 Pemex-Einrichtungen schützen.
Angesichts der Lieferengpässe in verschiedenen Landesteilen versucht Präsident López Obrador die Gemüter zu beruhigen. Es handele sich um eine „vorübergehende Situation, bis wir das Problem des Benzinraubs gelöst haben“. Es gebe ausreichend Benzin im Land. „Es wäre ein Leichtes, die Pipelines zu öffnen und zu sagen, dass sich die Situation normalisiert hat, aber das würde bedeuten, den Raub wissentlich aufrechtzuerhalten, d.h., zu akzeptieren, zu tolerieren. Das werden wir nicht tun.“
Allerdings wurde nicht bedacht, dass 5000 Tankwagen, die momentan im Einsatz sind nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken.
Quelle und Fotos: www.dw.com